Was ist Geotourismus?
Von Michael Hahl
Frühe Formen des Geotourismus sind schon aus der Antike belegt, als beispielsweise von den Römern Vulkane bereist und beschrieben wurden. Mit der Unterschutzstellung des Yellowstone Nationalparks wurden erstmals auch erdgeschichtliche Phänomene bewusst geschützt und für den Tourismus aufgewertet. Das erste Geopotenzial, das in Deutschland unter Schutz gestellt wurde, ist der Drachenfels im Siebengebirge. Die Preußische Regierung hatte im Jahre 1836 den Steinbruch am Drachenfels erworben und stillgelegt, um den 321 Meter ü. NN hohen subvulkanischen Erosionsrest als Naturschönheit erhalten zu können. Selbstverständlich standen zu dieser Zeit längst auch viele andere Berggipfel, Felsformationen oder Flusstäler, Wasserfälle und vieles mehr im Interesse der Reisenden, auch wenn diese Phänomene nicht unter Schutz gestellt wurden.
Die ersten europäischen, allen voran durch den Briten Thomas A. Hose eingeführten Geotourismus-Definitionen heben die Nutzung geologischer als auch geomorphologischer Standorte durch Touristen und Erholungssuchende, aber auch durch Studenten und Wissenschaftler hervor. Von Anfang an stand im Geotourismus eine interdisziplinäre, wissenschaftsübergreifende Sichtweise im Fokus, welche in den kommenden Jahren noch viel umfassender aufgegriffen werden sollte. In der deutschsprachigen Terminologie fasst im Jahr 2000 Marie-Luise Frey, damals zuständig für die Inwertsetzung des ersten deutschen Geoparks Vulkaneifel, den Geotourismus als „multidisziplinäre Teildisziplin in den Angewandten Geowissenschaften“ und verweist auf weitere Bezüge zu zahlreichen ebenfalls betroffenen Fachgebieten, die auf den Säulen „regionales Naturerbe, Information und Bildung, touristische Entwicklung und regionale Forschung“ zusammenwirken. In den folgenden Jahren treten weitere Definitionen auf, die den Geotourismus-Begriff mitunter zu weit fassen und ihm dabei mehr oder weniger dieselbe Bedeutung wie dem „nachhaltigen Tourismus“ zukommen lassen, womit die eigentlichen geotouristischen Kernthemen zu sehr aufgeweicht werden. Oder aber das Aufgabenfeld des Geotourismus wird zu eng auf das Erlebnis geologischer und geomorphologischer Potenziale begrenzt, ohne weitere wesentliche Aspekte, etwa die Regionalentwicklung, einzuschließen.
Im Bewusstsein dieser begrifflichen Defizite definiert Heidi Megerle im Jahr 2008 den Geotourismus als „eine Sparte des Thementourismus, der auf eine Erfassung, Aufarbeitung, Inwertsetzung und Vermarktung des breiten Themenspektrums der Erd- und Landschaftsgeschichte inklusive ihrer Wechselwirkungen zu Vegetation, Fauna, Kulturlandschaftsgeschichte und zur heutigen Landschaftsnutzung durch den Menschen basiert. Mittels methodisch-didaktischer Formen der informellen Umweltbildung erfolgt eine ganzheitliche Vermittlung der regionalen Besonderheiten und Charakteristika, um hierdurch ein Bewusstsein und Verständnis für die Schutzwürdigkeit sowie ein Regionalbewusstsein zu schaffen. Ein qualitativ hochwertiger Geotourismus kann und sollte somit einen relevanten Beitrag zu einer nachhaltigen Regionalentwicklung leisten.“
Der von Heidi Megerle erwähnte „Thementourismus“ ist als touristischer Baustein zu verstehen, mit dem man Personen, Gegenstände oder sonstige Inhalte inszeniert, die in einer Tourismusdestination (Stadt, Region, Kommune usw.) besonders charakteristisch sind. Meist stammt das Thema aus kulturellen und gesellschaftlichen Bereichen, aber auch erd-, landschafts- und kulturgeschichtliche Phänomene und somit geotouristische Potenziale haben längst eine große und aktuell weiter wachsende Rolle in der touristischen Inwertsetzung und Produktentwicklung und im Tourismusmarketing erhalten.