Rückblick 1974 - Happy Birthday, mein Katzenbuckel!
von Michael Hahl
50 Jahre "aufgelassener Steinbruch" und natürliche Sukzession am höchsten Berg des Odenwaldes - ein Rückblick im Jahr 2024
Im Jahr 1974 wurde der Steinbruchbetrieb am Südosthang des Katzenbuckels eingestellt. Nach dem Ende des Abbaus - genau vor 50 Jahren - begann die natürliche Sukzession an der Front des Katzenbuckels, von den Dörfern und Zufahrten des "Winterhauchs" betrachtet. Die immerhin Jahrzehnte lang intensiv genutzte "Bergbaufolgelandschaft" - mit einstmals zwei Steinbrüchen, regelmäßigen Sprengungen, Schotterwerk und fast täglichem Abtransport des Gesteins- und Schottermaterials - konnte sich nun wieder zu einem idyllischen Naturschatz entwickeln.
Der Katzenbuckel - ein ganz besonderer Berg im Odenwald. Sowohl der höchste "Buckel" des Mittelgebirges als auch eines der wenigen Vulkanrelikte in dieser Region: ein heraus erodierter "Vulkanhärtling". Es gab 50 Jahre großgewerblichen Abbau seiner magmatischen Gesteine, dann folgten 50 Jahre Renaturierung auch an der südöstlichen Landschaftsnarbe. Heute ist der Katzenbuckel ein Biotop und Fauna-Flora-Habitat, ein FFH-Gebiet, Teil eines Landschaftsschutzgebiets. Das war keineswegs immer so - schauen wir noch ein Mal zurück ...
Schon im ausgehenden 19. Jahrhundert hatte der Bedarf an hartem Gestein vom Katzenbuckel zugenommen. Man verwendete die zu Schotter zertrümmerten "Basaltbrocken" - genauer gesagt handelt es sich um Phonolith und Syenit - vor allem für den Straßenbau. Eine geologische Kartierung von Wilhelm Freudenberg, veröffentlicht im Jahr 1906, zeigt genau dort, wo später der Restaurant-Betrieb geführt wurde, noch einen Gesteinsaufschluss. Hier hatte der damalige Eigentümer des Geländes, Wilhelm Krämer, ein kleines Steinklopfwerk errichtet; nicht weit davon entfernt startete auch das Dorf Waldkatzenbach mit einem kleinen Gemeinde-Steinbruch. Nach dem Ersten Weltkrieg setzte mit der Verpachtung an das neu gegründete "Basaltwerk Katzenbuckel" dann der großgewerbliche Abbau ein, durch den ein Teil des Berges für fünf Jahrzehnte zur Bergbaulandschaft werden sollte.
Während Freudenberg noch ein Stück östlich des 626 Meter ü.NN hohen Katzenbuckel-Gipfels, genau genommen auf der Höhenlinie von 605 Meter, einen Felsen mit dem Namen Gaffstein in seine Karte eintrug, konnte der Geologe Walter Hasemann im Jahr 1926 nur noch einen Steinbruch an dieser Stelle kartieren. Der einstige Felsturm namens "Gaffstein" war bereits dem Abbau zum Opfer gefallen. - Vielleicht sollte bei dieser Gelegenheit klar gestellt werden, dass es historisch niemals einen "Herren von Gaffstein" gab, der irgendwo auf diesem scheinbar gleichnamigen Felsturm nach irgendetwas Ausschau gehalten hätte. Auch wenn diese Variation immer wieder mal erzählt und sogar geschrieben wird, handelt es sich dabei leider nur um Mythenküche mit leichter Kost für Leichtgläubige. Aber weiter zur Steinbruchgeschichte ...
(Bild: Historische Aufnahme vom Steinbruch am Michelsberg, private Sammlung)
Steigende Nachfrage führte im Jahr 1927 zur Errichtung eines größeren Schotterwerkes und zu immens ansteigender Produktion. Als der Gaffsteinbruch schon nahe bis an den Katzenbuckelgipfel, der sich noch bis 1954 in Markgräflich Badischem Familienbesitz befand, herangekommen war, wurde das Basaltwerk 1934 vom Bezirksamt Mosbach aufgefordert, den Abbau an der Ostflanke baldigst einzustellen und nur noch am südöstlichen Katzenbuckelhang, am so genannten Michelsberg, Gestein zu brechen. Im Zweiten Weltkrieg kam der Abbau im Steinbruch am Michelsberg zunächst zum Erliegen, setzte aber nach 1945 wieder ein. Seit 1955 nahm die jährliche Produktionsmenge mit einem neuen Pachtvertrag zwischen Gemeinde Waldkatzenbach und Basaltwerk stark zu und betrug bald das Zehnfache des Jahresabbaus der 20er Jahre. Nachdem man sich im Bereich des Michelsbergs am Südosthang des Katzenbuckels Sohle für Sohle immer tiefer ins syenitische und phonolithische Gestein hineingesprengt hatte, war es in den 60er und 70er Jahren immer schwieriger geworden, hier weiter rentabel abzubauen. Da man zudem einen uralten Grundwasserleiter angezapft hatte, bildete sich sukzessive ein stattlicher kleiner Steinbruchsee. Bald begrenzten auch die Belange des Landschaftsschutzes sowie die kommunalen Ideen einer Entwicklung für die Naherholung das Abbaupotenzial.
Im Jahr 1974 - vor 50 Jahren also - wurde der Steinbruchbetrieb endgültig stillgelegt. Die „Landschaftsnarbe“ am Südosthang konnte sich seither durch natürliche Sukzession zum wertvollen Biotop entwickeln. Der See - mit seinem saisonal schwankenden Grundwasserspiegel - und die markanten Felswände im einstigen Steinbruch am Michelsberg sind den Besuchern des Katzenbuckels gut bekannt. Auch geotouristisch wurde der Katzenbuckel etwa seit den 2000er Jahren gut erschlossen. (Foto rechts: Renaturierter Steinbruch am Michelsberg, Aufnahme: Margit Klotz, Sept. 2024)
Um die Jahrtausendwende habe ich, der Verfasser dieses Weblog-Artikels, meine ersten "Odenwälder Geoexkursionen" unter anderem am Katzenbuckel geführt. Nach und nach "durfte" ich einige der Tafeln am Katzenbuckel neu bearbeiten (ich erwähne nur: dass eine chemische Verwitterungsform, genannt Wollsackverwitterung, zuvor als "vulkanische Bombe" fehlgedeutet war, gehört ungefähr zu derselben "Mythologie", in der auch die erfundenen "Herren von Gaffstein" auf einem alten Felsturm sitzen) und auf einen vulkanologisch und geologisch soliden Stand bringen. In Kooperation mit der Gemeinde Waldbrunn, dem regionalen Naturpark Neckartal-Odenwald und dem UNESCO Geopark Bergstraße-Odenwald konnte ich zudem zwei illustrierte und textlich hoffentlich klar auf den Punkt gebrachte Faltblätter zum Geopfad am Katzenbuckel erarbeiten, eines davon zusammen mit der Geologin Dr. Jutta Weber, mittlerweile die Geschäftsführerin des hiesigen Geoparks. Guten fachlichen Austausch pflegte ich zum Katzenbuckel auch mit dem Geologen Dr. Marco Lichtenberger sowie mit dem - damals noch - "Nachwuchstalent" Michael Förster aus Waldkatzenbach, mittlerweile an der Universität Sydney als Geowissenschaftler promoviert und als Honorary Research Fellow an der Macquarie University wirkend.
Ich erwähne das - ein wenig anekdotisch, weil ich mich gerne an den fachlichen Diskurs mit Gleichgesinnten erinnere. Auf etlichen Exkursionen - teils vor Fachleuten referierend, vor allem aber mit Hunderten von landschaftskundlich interessierten Mitwanderern, bei denen gerne auch Einheimische aus ihrer eigenen Jugend am Katzenbuckel erzählten, oder auch mit Schulklassen - konnte ich das Wissen um den Katzenbuckel weiter vermitteln. Michael Förster war übrigens einer der Ersten, der - als damals noch sehr junger Mensch, der hochgradig an allem "Vulkanologischen" interessiert war und die Maarvulkane der Eifel wie seine Westentasche kannte - die Vorstellung formulierte, dass es sich beim Vulkanausbruch am Katzenbuckel um Maar-Vulkanismus handeln könnte. Dem stimmte ich zu, doch an der Tafel auf dem Berggipfel habe ich es bewusst vorsichtig formuliert: "Sofern man neuere Datierungen aus dem Jahr 2007 heranzieht, fand der Ausbruch vor über 70 Millionen Jahren statt. Der explosive Vulkanismus ist auf unterirdischen Gasdruck zurückzuführen. Gut möglich, wenngleich nicht abschließend beweisbar, ist eine Wasserdampfexplosion durch Grundwasser-Magma-Kontakt. Somit könnte es sich beim Katzenbuckel um das Relikt eines Maarvulkans handeln, der bereits beim ersten Magmenaufstieg einen tiefen Explosionstrichter bildete. Der Trichter wurde mit Magma aufgefüllt, das zu Stein erstarrte und schließlich von der Erosion freigenagt wurde; heute stehen Sie darauf."
Wenn aufsteigende magmatische Schmelze auf Grundwasser trifft, kann es zu einer gewaltigen Wasserdampfexplosion kommen, die das Heraussprengen eines riesigen Explosionstrichters zur Folge hat. So dürfte es also auch am "Maarvulkan Katzenbuckel" geschehen sein. Die Kuppe, die wir heute als höchsten Berg des Odenwaldes sehen, ist das Überbleibsel einer in den Explosionstrichter aufschießenden und wieder erkaltenden Schmelze, also einer erstarrten und verfestigten Füllung in diesem gigantischen Trichter. Und zwar in einem tieferen Stockwerk des Explosionstrichters, so dass der Krater, der sich vor rund 70 Millionen Jahren ganz oben an der damaligen jurassischen Landoberfläche geöffnet hatte, eher die Ausmaße eines Kilometers oder mehr gehabt haben dürfte.
Unter "Geologenkollegen" hatten wir uns auch darüber ausgetauscht, wie es denn sein könne, dass am höchsten Berg des Odenwaldes, auf über 500 m ü.NN nicht nur die Freya-Quelle ihr Wasser spendet, sondern auf der 540 Meter-Höhenlinie zudem auch ein Steinbruch am Südosthang offenbar mit Grundwasser gefüllt werden kann. Dass Grundwasser auf magmatischem Gestein gestaut werden kann, ist nichts Neues und man kennt es aus der Region beispielsweise auch von Quellen, die genau dort entspringen, wo Buntsandstein-Schichten über granitoidem Gestein lagern. So war es nahe liegend, dass es sich auch am Katzenbuckel, der sich über die ungefähr 500 m ü.NN hohen Sandsteinebenen der Umgebung erhebt, um einen alten Grundwasserleiter im Magmagestein handeln muss. Es kursierten allerdings lange schon andere Thesen, wonach Wasser möglicherweise durch eine "artesische Quelle" in den Bereich des entstehenden Steinbruch-Sees zugeleitet worden sei. Ob das Wasser aus der Schwäbischen Alb unterirdisch zuströme, wurde sogar überlegt.
Viel nahe liegender ist aus meiner Sicht die Erklärung, dass sich in den Klüften des Phonolith- und Syenitgesteins bereits bald nach dem vulkanischen Geschehen Grundwasser angesammelt hatte. Die Kluftgrundwasserleiter waren vor Jahrmillionen aufgefüllt, abhängig von den jeweiligen klimatischen Bedingungen und dem Wasserhaushalt. Als nach und nach die Heraushebung des Odenwaldes begann und die zernagende Wirkung der Erosion das widerstandsfähige Katzenbuckelgestein aus seiner Umgebung heraus präparierte, während das weichere Sedimentgestein seiner Umgebung stärker abgetragen werden konnte, da wurde mit dem magmatischen Gestein im Explosionstrichter natürlich der gesamte, dem Gestein innewohnende Kluftgrundwasserleiter herausgeschält und isoliert.
Von den Faktoren des Wasserhaushalts bestimmt - also Niederschlagsrate, Verdunstung, Versickerung - regelte sich die Wasserhöhe im Kluftgrundwasserleiter auf ein dem jeweils vorherrschenden Klima entsprechendes Niveau ein. Als der unterirdische Aquifer im Zuge der Sprengarbeiten während des Steinbruchbetriebs nach und nach freigelegt war - etwa ab den 1960er und 70er Jahren - konnte sich aus dem angezapften Grundwasser natürlich ein kleiner See entwickeln.
Der Steinbruch am Michelsberg weist vier Sohlen auf, die im Zuge der Sprengarbeiten sukzessive - von oben nach unten - angelegt wurden. Die zwei oberen Steinbruchsohlen erkennt man an bzw. über der Felswand, die man vom Seeufer aus vor sich sieht. Die dritte Sohle entspricht dem Zugangsweg zum See, den man heute als Spaziergänger gemütlich begehen kann. Die vierte und untere Sohle ist seit über 50 Jahren unter Wasser. In Phasen mit geringeren Niederschlagsraten hat sich der Wasserspiegel immer wieder einmal so weit abgesenkt, dass die dritte Sohle im Steinbruchsee komplett wieder zum Vorschein kam: Steht man am Schotterufer, erblickt man links einen Flachwasserbereich, der zeitweise zu verlanden droht. Er ist durch Felsblöcke abgetrennt, die sicherlich von Steinbruchmitarbeitern einst hier platziert wurden. Daneben ist das Wasser viel tiefer: Hier geht der Steinbruch-See in die vierte und unterste Steinbruchsohle über. Das Wasser in diesem Bereich, vom Seeufer aus betrachtet rechts, dürfte - je nach saisonalem Wasserhaushalt - an die 15-18 Meter Tiefe aufweisen.
Der Katzenbuckel ist in vielerlei Hinsicht ein besonderer Ort. Eine Lokalität regionaler Identität für den südlichen Odenwald. Eine Landmarke, ein "Highlight", ein Ort der Erholung, der Wissensvermittlung, des Staunens. Ein Raum für die Erinnerung an andere Zeiten, zum Beispiel daran, als der "Basalt" noch das "Tafelsilber" der Waldkatzenbacher war. Der Berg trug aus den Steinbruchbetrieben einige Narben hervor, aber es ist auch erstaunlich, wie nach einer solchen Beanpruchung eine gewissermaßen geschundene Landschaft geoökologisch umso reichhaltiger werden kann. Denn die Steilwände des aufgelassenen Steinbruchs am Michelsberg, dem Südosthang, wie auch der Steinbruch-See bereichern die Lebensräume und die Artenvielfalt heute durchaus.
Es ist ein zweischneidiges Schwert, mit einer durchaus positiven Komponente. Ein Aspekt, der vielen Bergbaufolgelandschaften, großen oder kleinen, zu eigen ist. Allerdings nur dann, wenn die Folgeschäden nicht zu groß sind, etwa durch Grundwasserabsenkung oder Kontamination während des Betriebs, zum Beispiel durch Schwermetalle. In diesen Fällen greift die schöne Idee der Renaturierung oder Rekultivierung aufgelassener Steinbrüche und Bergbaustätten wiederum nur bedingt.
Am Katzenbuckel kommt heute so manch einer zum Durchatmen, und die Seele findet zur Ruhe. Natürlich umso mehr zu Zeiten, wenn sich nicht allzu viele Erholung Suchende zur selben Zeit herauf verirren. Und auch nur dann, wenn nicht immer wieder Pläne für irgendwelche baulichen Maßnahmen aufkommen, die schlichtweg zu viel sind für so einen besonderen Berg oder die Höhenrücken in seiner Nachbarschaft. Skiparks, Funkturm oder Windenergieanlagen haben an so einem Platz und auch in der unmittelbaren Umgebung des Katzenbuckels nichts verloren.
Als Geograph und Geoökologe weiß ich wohl darum, dass es für die Lebenssicherung und das wirtschaftliche Handeln unterschiedlichen Bedarf an die Umwelt - besser Mitwelt - gibt:
Rohstoffe, Energie, Flächenverbrauch und vieles mehr. Es kommt zu diversen Stoffkreisläufen, Emissionen, Kontaminationen etc., und nicht alles lässt sich so einfach lösen, wie man es sich manchmal wünschen möchte. Das lässt sich auch nicht mit einigen poetischen Redewendungen wegreden, keine Frage. Wie man die Dinge lösen und bessere, gute Wege finden kann, hierzu geht es letztlich um umweltethische Betrachtungen, um ein Wertesystem, über welches man sich allerdings auch erst einmal klar werden muss. Es geht um Positionen, um Abwägungen, um grundlegende Haltungen, um Empathie und Sensibilität, um das Bewusstsein, mit dem wir die Wahl unserer Handlungen treffen. Und auch um das Bewusstsein als "Feld", das uns mit allem, was ist, verbindet.
Man sollte die einfachen, vielleicht die ursprünglichen und wesenhaften Wahrnehmungen nicht aus den Augen verlieren. Es wäre gut, wieder ein Gefühl dafür zu entwickeln, was man einer Landschaft, einem Lebensraum zumuten kann und was nicht. Das, was wir den äußeren Landschaften zumuten, wirkt sich letztlich auf unsere inneren Landschaften aus. Selbst der Geotourismus kann zuweilen eine vulnerable Kraft entwickeln und naturnahe Kulturlandschaften gefährden. So einfach es auch klingen mag: Es sollte alles in einem guten Maß bleiben. "Leben inmitten von Leben, das leben will", frei nach Albert Schweitzer. Und deshalb, ganz einfach und leise: Es sollte still bleiben können am Katzenbuckel. Eine heilende Kulturlandschaft wie diese hat Anspruch auf Würde.
(Bild rechts: Blick vom Katzenbuckel-Turm, Aufnahme: Margit Klotz, Sept. 2024)
Der Katzenbuckel ist ein Sinnbild dafür, wie aus einer intensiv genutzten, überbeanspruchten, verlärmten und vernachlässigten Ressource wieder ein Ort für ruhiges, schönes, harmonisierendes und vitalisierendes Landschaftserlebnis werden kann. Damals hat der Prozess begonnen, als der Steinbruchbetrieb am Michelsberg zu einem aufgelassenen Steinbruch wurde und die natürliche Sukzession greifen konnte. Damals, als hier wieder Frieden mit der Natur einkehrte ...
50 Jahre ist es her. Der renaturierte Katzenbuckel hat in diesem Jahr 2024 einen runden Jahrestag, sozusagen Geburtstag. Ich habe festgestellt, dass es offenbar vergessen wurde im Umfeld des Berges. Ich erinnere daran.
(Bildauszug aus GoogleEarth, Verwendung zu wissenschaftlichen Zwecken)