Quo vadis, Qualitätswege? - Teil 1/2
von Michael Hahl
Oder: Geht im Odenwald die Hyperzertifizitis um?
Zertifizierte Wanderwege sind im Odenwald auf dem Vormarsch. Bereichert das die Wanderregion oder schlägt Masse bald Klasse? Irgendwo im Spannungsfeld zwischen den zwei überzeichneten Fragestellungen "geht noch einer?" und "gehts noch?" ist nüchternes, kritisches, konzeptionelles Abwägen gefragt.
Neben "Neckarsteig", "Nibelungensteig" und "Alemannenweg" soll es bald noch einen weiteren nach Kriterien des Deutschen Wanderverbands zertifizierten Qualitätsweg im Odenwald geben: Der "Burgenweg" an der badischen Bergstraße wird hinsichtlich seiner Zertifizierbarkeit geprüft. Zunächst geht es um den Abschnitt von Heidelberg bis Laudenbach. Damit verliefen am Drehpunkt Heidelberg bereits zwei Qualitätswege. Allerdings ist der Asphaltanteil auf den wunderbar aussichtsreichen Bergstraßenhöhen gravierend und die Zertifizierbarkeit scheint daher, bei allem Respekt vor dem Rheingraben-Panorama und der klimatisch bedingt frühen Obstbaumblütenexplosion, wohl derzeit noch fragwürdig.
Im Südosten des Mittelgebirges wird dagegen ein "Limesweg" hinsichtlich seiner Eignung als Qualitätsweg geprüft. Sollte er sein Gütesiegel bekommen, und mit ihm auch der Bergsträßer Wander-Highway, dann wären es womöglich bald fünf DWV-bescheinigte Wanderbare in einer Region. Das ist eine ganze Menge ... Und noch einer: Die Neueinrichtung des von Eberbach über Waldbrunn bis Neckargerach führenden, 26 km langen "Katzensteigs", der als eine Art Alternativroute für einen Teilabschnitt des "Neckarsteigs" gedacht ist, reiht sich auch noch in die Gütegarde ein.
Seit einiger Zeit produziert nun auch der Odenwaldklub zertifizierte Rundwege mit ca. 10-16 Streckenkilometern, und zwar nach eigenen Qualitätskriterien, räumlich weitgehend losgelöst von den großen "Steigen". Offenbar sind mittlerweile schon an die fünfzig nach OWK-Richtlinien ausgewiesene Wege entstanden respektive in Bearbeitung, wie eine Liste in der aktuellen Ausgabe des OWK-Magazins "Dorflinde", S.6, erläutert.
Es fällt zudem auf, dass diese Rundwege in der Vereinszeitschrift als "Qualitätswege im Odenwald" präsentiert werden. Bislang ging man davon aus, dass sich dieser Begriff auf jene Pfade des Deutschen Wanderverbands, die "Qualitätswege Wanderbares Deutschland" beschränkte; um eine Verwässerung des Produktnamens zu vermeiden, muss man hier vielleicht über einen eigenständigen Markennamen nachdenken. Eine andere Frage, mit der man sich sicher noch auseinandersetzen sollte, ist die, inwieweit die Zertifizierung selbst als Gütesiegel mit eindeutigem Wiedererkennungswert aufgeweicht wird, wenn am Ende zu viele Markenwege mit unterschiedlichen Messlatten entwickelt werden.
Nun, jeder einzelne dieser geprüften Wege ist sicherlich eine Wanderung wert und man wird hier wie dort ganz bestimmt wunderbar erwanderbare Aussichten und Einsichten sowie vermutlich gut ausgewählte Routenführungen vorfinden und genießen können. Die Qualität der Wege sei hier auch keineswegs in Abrede gestellt; die Fragen, die sich aufdrängen, sind andere: Hat die Region die finanziellen und personellen Kapazitäten, alle diese Markenwege entsprechend ihrer ursprünglichen Qualitätsoffensive mit Marketing, Wegemanagement, Öffentlichkeitsarbeit und so weiter auszustatten, um deren Image auf gebührlich hohem Level kommunizieren zu können und um die Qualität, die sie versprechen, dauerhaft zu halten, vielleicht im ein oder anderen Fall gar noch zu optimieren? Lässt sich die zunehmende Fülle dieser Wege denn noch "überodenwälderisch", möglichst deutschlandweit vermarkten?
Und noch einen Schritt weiter gedacht: Kann die lokalspezifische Quantität noch der Qualität einer Wanderregion zugute kommen oder verwässern sich die zahlreichen Zertifikate gegenseitg? Sollte man nicht vielmehr hergehen und eines oder vielleicht auch noch zwei dieser wandertouristischen Produkte als ganz besondere Marke entwickeln und weit über die regionalen Grenzen hinaus etablieren? Bringt die facettenreiche Masse auch gesamtkonzeptionelle Klasse? Oder anders gefragt: Wo ist das regionale Zugpferd einer Wanderdestination, wenn überall die Gäule aufgesattelt werden?
Szenenwechsel: "Wann war dein letztes Abenteuer?", fragt man den Wandergast zwischen Perl und Trier aus aufwändig gestalteten Prospekten heraus. Der als Premiumweg zertifizierte "Saar-Hunsrück-Steig" ist das Aushängeschild einer ganzen Wanderdestination. Ergänzt wird er von den so genannten "Traumschleifen", die als etwa 10-15 km lange Tagesrundwege an den Steig anknüpfen. Sie finden den aktuellen Stand hier: http://www.saar-hunsrueck-steig.de/traumschleifen__gesamt.php - Ein zweiter großer Premiumweg, neben dem Saar-Hunsrück-Steig, stand hier nie zur Debatte, obwohl die Landschaft und die Kulturgüter im saarländisch-pfälzischen Grenzraum sicherlich noch andere Zertifizierungspotenziale zu bieten hätten.
Ein recht ordentlicher Marketing-Etat fließt in die große Saar-Hunsrück-Marke und eine eigene Geschäftsstelle wurde ausschließlich für Wegemanagement und all die anderen Aspekte professioneller Qualitätssicherung und Qualitäsentwicklung aufgebaut. Mit "Deutschlands schönstem Wanderweg 2009" wirbt eine länderübergreifende Tourismusdestination und die Experten sind sich einig: die bundesweit bekannte Marke dient als Zugpferd und tut hier dem gesamten regionalen Tourismus gut. Also: einer für alle ...
Wie verhält es sich nun mit der Klasse und der Masse? Dass sich das Konzept der "Traumschleifen" bewährt - zertifizierte Tagesrunden also, die sich direkt an die großen Steige anschließen -, dies scheinen Umfragen zu bestätigen und es liegt an den empirisch ermittelten und statistisch festgeklopften Vorlieben des "idealtypischen" Wanderers. Unter bestimmten Umständen ist außerdem durchaus vorstellbar, dass interkommunaler Wettbewerb das Geschäft innerhalb einer Region belebt, dass im besten Fall also auch Klasse aus Masse entstehen kann, falls sich eine Art lokalmatadorisches Ringen um den besten hiesigen Wanderweg entwickelt.
Das Konzept in der Saar-Hunsrück-Destination scheint derweil stimmig: Ein großer Steig dient als wandertouristisches Aushängeschild für die ganze Region, daneben erfüllen angekoppelte Extratouren, Rundwege im Tageswanderungsformat, andere Bedürfnisse; sie flankieren ihre Dachmarke.
Alle großen Steige aber haben im Grunde das gleiche Problem: Die Region braucht Geld, um die beabsichtigte Qualität, für die immerhin einiges an Vorleistungen erbracht wurde, zu halten und weiter zu optimieren. Geld für Marketing, Merchandising, Management, Public Relations, Ausstattung und Pflege, Nachbesserungen und Ergänzungen, Programme und Pauschalen, Events und Erlebnisse und manches mehr. Wo die bare Münze fehlt, da geht das, was nach Markierung und Zertifizierung eben noch weiter erfolgen muss, allzu leicht unter.
Erfolgversprechender und effektiver als die derzeit im Odenwald voranschreitende Parallelzertifizierung einer zunehmenden Anzahl von Mehrtageswegen scheint das Finanzierungs- und Marketingkonzept des Saar-Hunsrück-Steigs, ebenso wie das des Eifelsteigs, des Rheinsteigs, des Rothaarsteigs und etlicher großer Wanderwegmarken: alle für einen also ... - Masse allein ist für den Erfolg der Sache keineswegs der Königsweg.
zu Teil 2/2: http://www.proreg.de/index.php/news-reader-wanderfokus/items/Hyperzertifizitis2.html
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Kommentar von red bottom shoes |
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Kommentar von red bottom shoes |
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