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Quo vadis, Qualitätswege? - Teil 2/2

von Michael Hahl

Regionales Scenario: Neckarsteig und Nibelungensteig als Dachmarken, flankiert von "Odenwald-Schleifen"

 

Im ersten Teil dieses Beitrags war von einer "Hyperzertifizitis" die Rede, die sich derzeit im Odenwald auszubreiten scheint - vgl. http://www.proreg.de/index.php/news-reader-wanderfokus/items/Hyperzertifizitis.html . Dieser gar nicht provokanten These sei nun ein Scenario gegenübergestellt, das wir uns für die Region - anknüpfend an den gegenwärtigen Status quo - gut vorstellen könnten. Im Wesentlichen wie folgt: einen oder maximal zwei der großen Zertifikatswege durch professionelles Marketing und gründliche Qualitätsentwicklung nähren und ausreifen lassen, mit dem Ziel, ein oder zwei erstklassige Wandermarken zu schaffen, die sich deutschlandweit positionieren können. Normalerweise einer für alle; angesichts der drei Bundesländer, die in den Odenwald lappen (Bayern allerdings nur mit geringem Anteil), gehen auch zwei - mehr nicht.

 

Nibelungensteig als hessisch-bayerische Marke und Neckarsteig als nordbadisches Qualitätsprodukt (mit kleinem südhessischen Anteil) sind dafür die geeignetsten und repräsentativen Routen. Diese zwei gilt es zu füttern und zu päppeln, damit sie deutschlandweit Beachtung finden, zu "Top Trails" oder "besten Wanderwegen" werden können und dadurch der gesamten Destination zugute kommen: dem Burgen- und Berge-reichen Odenwald mit seinen dichten, mystisch atmosphärischen Wäldern (stellvertretend: Nibelungensteig) und seinem geschichtsträchtigen, mythisch-romantischen Flusstal im Süden (stellvertretend: Neckarsteig). - Von weiteren Zertifizierungen anderer Mehrtageswege, und seien sie zweifellos auch noch so schön und empfehlenswert, sollte man - mit Verlaub - in der Region Abstand nehmen: keine Burgenweg-Zertifizierung, keine Limesweg-Zertifizierung, zukünftig vielleicht auch keine Alemannenweg-Zertifizierung mehr. So weit jedenfalls dieses Scenario! Die ein bis zwei Dachmarken wären somit klar definiert und repräsentieren den Odenwald: weniger ist mehr ...

 

Die einzelnen Tages-Rundwege, die derzeit entstehen, brauchen einen eigenen Markennamen. [Edit 24.01.13: Mittlerweile ist zu lesen, dass sie den Namen "Qualitätswege Wanderbarer Odenwald" tragen sollen.] Wenn man ein regionalpatriotisches Zertifikat zu den bisherigen überregional erkennbaren und bekannten Siegeln gesellen möchte, dann muss sie der Gast auch auf den ersten Blick unterscheiden können von DWV-zertifizierten "Qualitätswegen Wanderbares Deutschland". Ausgezeichnete Tages-Rundwege sollten überwiegend die (zwei) großen Steige flankieren und von Anfang an auf einem Qualitätslevel entwickelt werden, mit dem die Wandererlebnisgarantie, die eine Zertifizierung ja prinzipiell auf den Weg bringen soll, nicht aufgeweicht wird. Das bedeutet auch, dass die Qualität dauerhaft gewährleistet werden muss, das heißt: Folgekosten für die Kommunen. - Andererseits kann zum jetzigen Stand niemand ausschließen, dass sich einzelne Odenwald-Kommunen zukünftig wiederum um Rundwege bemühen werden, die sie vom Wanderverband oder gar vom Wanderinstitut zertifizieren lassen möchten, um sich erneut aus einer Masse durch Klasse abzuheben, denn das Image dieser beiden überregionalen Siegel wird über die Region hinaus aussagekräftiger bleiben, davon muss man sicherlich ausgehen. Aus der Parallelität unterscheidlicher Siegel wird ein ranking hervorgehen. Um Verwirrungen für Gäste und Markt aufgrund unterschiedlicher Gütezeichen zu vermeiden, wäre ein schlüssiges wandertouristisches Gesamtkonzept für die Region sehr hilfreich. Man muss sich kritisch mit der Frage auseinandersetzen: Haben wir das zum momentanen Zeitpunkt noch? Oder besteht die Gefahr eines Wildwuchses?

 

Auch Wegabschnitte, die als "Alternativrouten" angepriesen werden, wie der neue 26,4 km lange Katzensteig zwischen Eberbach und Neckargerach passen nicht so recht in ein regionales Gesamtbild: Wie kann ein Katzensteig möglichst überregional vermarktet werden, wenn bislang nicht einmal der Etat für den großen Bruder, die Dachmarke Neckarsteig, auf ein zukunftsweisendes Maß eingependelt wurde? Und was will man den ortsunkundigen "Neckarsteigern" dann eigentlich anbieten: Dass sie sich in Eberbach oder in Neckargearch entscheiden müssen, ob sie alternativ die 1A-Landschaft rund um den Katzenbuckel wählen oder die 1A-Landschaft über den Eberbacher Breitenstein, ausgestattet mit eindrucksvollen Spuren der Flussgeschichte, und vorbei an der Burgruine Stolzeneck? Ein kniffliges Unterfangen, wenn es doch eigentlich darum gehen müsste, ein glasklares regionales Wanderprodukt (hier also die Marke Neckarsteig) auf dem deutschlandweiten Markt zu etablieren. Wäre es nicht im Sinne eines Gesamtkonzepts und auch im Sinne der Waldbrunner Übernachtungszahlen effektiver (gewesen), einen zertifizierten Tagesrundweg um den Katzenbuckel zu schaffen und diesen an die Dachmarke Neckarsteig zu knüpfen? Immerhin hat der Katzensteig das Potenzial, als Zweitagesroute (mit Übernachtung in Waldbrunn), für Ausdeuerwanderer auch als Tagestour geeignet, das Wanderziel Katzenbuckel an die S-Bahn im Neckartal anzubinden; von der Vorstellung einer "Alternativroute" zum Neckarsteig sollte man allerdings absehen.

 

Abschließend noch einmal zusammengefasst - das hier entwickelte Odenwälder Wanderscenario sieht vor: zwei Mehrtageswanderwege als zertifizierte regionale Dachmarken mit idealer Ausstattung, Steig 1 im Norden, Steig 2 im Süden. Einer davon, der Neckarsteig, bietet zudem durch den S-Bahn-Anschluss gute Voraussetzungen, auch Tagesmarschetappen zu ermöglichen (wenngleich die Ausstattung mit Einstiegs-/Ausstiegs-Portalen und die Qualität der erforderlichen Zubringerwege zwischen S-Bahnhöfen und Steig unbedingt noch nachzubessern wären). Weitere regionale Mehrtageswanderwege (Alemannenweg, Burgenweg, Limesweg und andere) können auch zukünftig empfohlen werden, ohne aber als gleichrangige Parallel-Wandermarken entwickelt zu werden; eine Zertizierung erscheint hier nicht (mehr) erforderlich. Angekoppelt an die beiden großen Steige entwickelt man hochkarätige Tagesrundwege, vergleichbar den "Traumschleifen" am Saar-Hunsrück-Steig. Man sollte sich in einem gesamtregionalen Entscheidungsfindungsprozess darüber verständigen, ob diese - nennen wir sie einfach mal - "Odenwald-Schleifen" mit einem regionalen OWK-Zertifikat, mit einem deutschlandweiten DWV-Zertifikat oder gar mit einer europaweiten Ausweisung als "Premiumwege" entwickelt werden.

 

zu Teil 1/2: http://www.proreg.de/index.php/news-reader-wanderfokus/items/Hyperzertifizitis.html

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